Es ist Winter, tiefer Schnee bedeckt des Land. Der Mond verbreitet sein karges Licht über das kleine Bauernhaus und den Hang am Fuß der Steinwand. Aus dem Schornstein steigt heller Rauch von dem im Ofen brennenden Buchenholzscheiten, der sich im klaren Nachthimmel verliert. Durch die von Eisblumen kristallisierten Fenster der guten Stube dringt das fahle, flackernde Licht einer Öllampe in die Nacht und zeigt den erwarteten Nachbarn den Weg.
Die harte Arbeit auf den kargen Böden der Felder und der Wiesen auf dem Berg ist längst beendet. Das Werkzeug und Geschirr der kleinen bäuerlichen Anwesen ist für den nächsten Einsatz hergerichtet. Die Muse ist eingekehrt. Jetzt ist die Zeit der Spinn- und Strickstuben gekommen. Alt und Jung trifft sich bei einer befreundeten Familie des abends in der großen Stube. Die Spinnräder schnurren, aus der Schurwolle der Rhönschafe entsteht unter den fleißigen Händen der Frauen und Mädchen das Schafwollgarn, welches dann später in den Strickstuben der Frauen zu Strümpfen, Wintermützen, Jacken und Röcken verstrickt wird. Die Männer rauchen ihr Pfeifen, trinken ihren Branntwein, den der Hausherr bereitgestellt hat, und helfen Geschichten erzählend ihren Frauen. - So war es noch in meiner frühen Kindheit.
Die sagenumwobene Rhön steckte voller Geschichten und es wurde allerlei vom Teufel, den Feuermännchen, dem Riesen Mils, den Moorjungfern, weißen Frauen und Elfen, von Gespenstern und wilden Jägern erzählt, wenn die Leute an den langen Winterabenden um den warmen, gusseisernen Ofen zusammenhockten.
An solchen Abenden wurde das Erbe der alten Rhöner in Erzählungen von Generation zu Generation weitergegeben. Heute sind viele dieser alten Sagen in Sammlungen zusammengetragen und so der Nachwelt erhalten.
Rhöngemälde “Winterabend Steinwand” Nr.: 1716 Leinwand auf Keilrahmen 80x100 cm, 1997